Ein Fachbeitrag des renommierten Pilzgenetiker Univ.Prof.Mag.Dr. Joseph Strauss
Menschen und Schimmelpilze haben eine lange gemeinsame Zeit hinter sich, denn vor ca. 1 Milliarde Jahre haben sich die Schimmelpilze schon entwickelt und nehmen seither eine zentrale Rolle im natürlichen Stoffkreislauf unseres Planten ein. Das heißt aber auch, dass unsere Vorfahren schon immer mit diesen vielseitigen, überall in unserer Umgebung anzutreffenden Mikroorganismen gelebt, sie berührt und ihre Sporen mit der Atemluft eingeatmet haben. Daher ist bei gesunden Menschen ein regelmäßiger Kontakt mit diesen nützlichen Erdenbewohnern nicht nur normal und selbstverständlich, die Medizin geht davon aus, dass dieser Kontakt auch wichtig für die Ausbildung eines gesunden Immunsystems ist.
Aber trotzdem kann eine übermäßige Exposition gegenüber Schimmelpilzen zu Problemen führen, und die gilt es zu vermeiden. Diese Probleme können als Atembeschwerden, Hautbeschwerden oder auch als Infektionen auftreten. Bekannt sind dabei vor allem Hautinfektionen durch Candida, Augeninfektionen durch Fusarium, oder Lungeninfektionen durch Aspergillus. Auch Allergien gegen Bestandteile von Schimmelpilzen treten häufig auf, viele Menschen sind z.B. gegen Alternaria oder Aspergillus sensitiv, wobei diese Schimmelpilzallergien oft gemeinsam mit Allergien gegen die Hausstabmilbe auftreten. Das ist vor allem deswegen relevant, weil Schimmelpilze sehr oft in engen Lebensgemeinschaften mit den Milben im Staub unserer Teppiche oder Polstermöbel leben.
Doch das ist noch nicht alles: Pilze bilden sehr viele unterschiedliche Gifte in ihren Zellen oder Sporen, um sich in der Natur gegen Bakterien oder Fressfeinde wie Insekten zu wehren. Ähnlich wie die giftigen „Schwammerln“ produzieren nämlich auch Schimmelpilze unter bestimmten Lebensbedingungen große Mengen dieser speziellen Stoffwechselprodukte (sogenannte „Mycotoxine“), einige von ihnen zählen zu den gefährlichsten Substanzen in der Natur. Für uns Menschen und andere Säugetiere können solche Substanzen leberschädigend, hormonwirksam und sogar krebsauslösend sein und sie begegnen uns in allen Lebensbereichen, von der Nahrung, im Wasser bis zu den Sporen in unserer Atemluft. Zu trauriger Berühmtheit kamen dazu in den 1980er-Jahren die verschimmelten Tierfutter, bei denen sogenannten Aflatoxine hunderttausende Puten tödlich vergiftet haben.
Über 30.000 verschiedene von Pilzen gebildete Substanzen sind bekannt, aber nicht alle sind für uns schädlich: die berühmten Antibiotika sind auch „Schimmelpilzgifte“, allerdings nur gegen Bakterien wirksam und nicht gegen Säugetiere gerichtet! In der Natur wollen die Pilze ihren Feind damit abschütteln, aus pharmazeutischer oder biotechnologischer Sicht kann man dies nutzen, um neue Metaboliten in Schimmelpilzen zu produzieren.
Viele pharmazeutisch eingesetzte Wirkstoffe werden von verschiednen Schimmelarten gebildet, u.a. mit cholesterin-senkender Wirkung oder mit immunologischer Wirkung, die bei Organtransplantationen eine wichtige Rolle spielen. Die modernen Methoden der Genomforschung bei Schimmelpilzen haben mittlerweile ein riesiges Potential an weiteren Wirkstoffen geortet und Forscher, u.a. in Österreich und Deutschland sind intensiv dabei, dieses Potential weiter zu verwerten.
Für unseren Lebens- und Arbeitsbereich heißt es einige einfache Regeln anzuwenden, um der schlummernden Gefahr, die durch ungewollte Schimmelpilz-Exposition entsteht, zu entkommen. Die Lebensmittel in den Geschäften sind generell gut überwacht, um eine Kontamination mit Pilzgiften auszuschließen, aber trotzdem sollten wir Lebensmittel, die zu Hause verschimmeln, generell wegwerfen und nicht nur den verschimmelten Teil wegschneiden, da sich Schimmelpilze und ihre Gifte schnell und unsichtbar im Lebensmittel ausbreiten. Und in der Raumluft (zu Hause und am Arbeitsplatz) sollten Schimmelpilze nicht zu stark vertreten sein, zwischen 50 bis 250 Sporen pro m3 Luft gelten als normal, ist der
Wert permanent stark überhöht, steigt auch das Risiko einer Allergie, Infektion oder Giftexposition mit den genannten gefährlichen gesundheitlichen Folgen.
Autor:
Univ. Prof. Dr. Joseph Strauss forscht und lehrt an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und leitet dort auch das Institut für Mikrobielle Genetik am BOKU Campus in Tulln (https://boku.ac.at/agri/imig). Mehr als 200 Publikationen über die Forschungsarbeiten der Gruppe sind bisher national und international erschienen und diese berichten über neueste Erkenntnisse aus den Bereichen Molekulare Biologie der Schimmelpilze und die Produktion von Schimmelpilzgiften. Auf positive Wirkungen dieser Stoffwechselprodukte forscht das Institut in der eigens eingerichteten BiMM-Plattform (www.bimm-research.at).
Kontakt: joseph.strauss@boku.ac.at;